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Nr. Datum der Silencing Institution Verstummte Person / Organisation
01.11.2023 Makroscope Mülheim an der Ruhr 23-11-01_Tinne Zenner
Summary:

Makroscope sagt Filmprogramm von Tinne Zenner aufgrund ihrer Unterzeichnung von Solidaritätserklärungen für Palästina ab

Am 1. November 2023 erhielt Tinne Zenner eine E-Mail von Makroscope, einem soziokulturellen Kunsthaus in Mülheim an der Ruhr, in der ihr die Absage ihres für den 2. Dezember geplanten Filmprogramms mitgeteilt wurde. Das Programm umfasste sowohl ihre eigenen Filme als auch eine Auswahl kuratierter Werke und war bereits seit März 2023 geplant.

In ihrer E-Mail schrieb Makroscope: „Das Makroscope als Institution vertritt eine Position, die für das Existenzrecht Israels und sein Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, einsteht – bei aller berechtigten Kritik an den Siedlungen und der aktuellen Kriegsführung. Auszüge aus deinem Künstler:innenvortrag, den du auf Instagram gepostet hast, und Teile der von dir unterzeichneten Solidaritätserklärungen, die – so wie wir sie lesen – versuchen, das terroristische Massaker der Hamas als Widerstand zu relativieren und zum Boykott aufrufen, widersprechen unserer Position. Und sie tun es in einer Weise, dass wir uns als Vorstand des Makroscope nicht vorstellen können, dich im Dezember bei uns als Gast zu empfangen. Das Makroscope ist nicht nur ein Ort, an dem kulturelle Veranstaltungen stattfinden, sondern auch ein politischer Ort der Gemeinschaft. Das sollte zwar bedeuten, dass wir nach Möglichkeiten suchen, trotz Differenzen im Gespräch zu bleiben, doch wir sind im Moment einfach zu besorgt und halten die Situation für zu heikel, um Kompromisse einzugehen.“

Zenner hatte eine Solidaritätserklärung von Dänemarks Kreativen, Medien- und Kulturschaffenden für Palästinenser:innen unterzeichnet, die den Satz enthielt: „Wir verurteilen alle Tötungen von Zivilist:innen, ob palästinensisch oder israelisch, bestehen aber darauf, dass die jüngsten militanten Angriffe der Hamas auf Israel im Kontext der eskalierenden Gewalt, des Kolonialismus, der Erniedrigung und Unterdrückung der Palästinenser:innen durch den israelischen Staat über Jahrzehnte hinweg verstanden werden sollten.“ In dem von Makroscope erwähnten Statement, das Zenner am 19. Oktober in ihren Instagram-Stories mit dem Titel „Vorbereitung eines Künstler:innenvortrags über Kolonialität & Extraktivismus im Norden“ gepostet hatte, drückte sie ihr Mitgefühl mit den „palästinensischen Opfern der 75-jährigen Besatzung, der zahllosen Kriegsverbrechen und der aktuellen Massenzerstörung des Gazastreifens durch den israelischen Siedler:innenkolonialstaat“ aus. Laut Zenner hat sich Makroscope vor der Absage weder um eine Erklärung zu dieser Äußerung bemüht noch den Dialog mit ihr gesucht.

Tinne Zenner ist eine bildende Künstlerin, Filmemacherin und Kuratorin, deren künstlerische Praxis sich kritisch mit den strukturellen Spuren der dänischen Kolonialbestrebungen in Grönland auseinandersetzt. Nach der Absage des Programms schrieb Zenner in einem Instagram-Post am 16. November: „Ich habe Israels Verletzung der Rechte der Palästinenser:innen schon so lange ich zurückdenken kann offen kritisiert. Als Mensch jüdischer Abstammung mit einem Vater, der 1942 während des Zweiten Weltkriegs geboren wurde und dessen Lebensweg durch den deutschen Nationalsozialismus und die stillschweigende Kooperation Dänemarks schwer gezeichnet wurde, fühle ich mich verantwortlich, gegen die anhaltende Gewalt und Verletzung der Menschenrechte durch den israelischen Siedler:innenstaat im Namen des Judentums Stellung zu beziehen.

Place of Silencing: Mülheim an der Ruhr
Type of Institution: Arts & Culture
Institution: Makroscope Mülheim an der Ruhr
Identity of Silenced Person: Jewish / Jewish heritage