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19.11.2023 ARD 23-11-19_Annemarie Jacir
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ARD nimmt den palästinensischen Film Wajib von Annemarie Jacir aus dem Programm

Der Fernsehsender ARD hat die für den 19. November 2023 geplante Ausstrahlung des preisgekrönten palästinensischen Films Wajib – Hochzeit in Nazareth (2017) von Annemarie Jacir abgesagt. Zudem wird der Film vorerst nicht wie vorgesehen in der ARD Mediathek verfügbar sein. Wajib ist ein humorvolles Drama über einen palästinensischen Vater und seinen entfremdeten Sohn, die gemeinsam in Nazareth Hochzeitseinladungen überbringen.

Auf Anfrage des SPIEGELs erklärte die ARD-Programmdirektion, sie hielten den Film vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse in Nahost „aktuell für nicht richtig im Programm platziert, da er aufgrund seiner Erzählperspektive missverstanden werden könnte”. Während der politische Hintergrund zwar subtil in die filmische Erzählung einfließt und so Einblicke in die alltägliche Realität von Palästinenser:innen in Israel gibt, werden an keiner Stelle gewalttätige oder antisemitische Haltungen befürwortet.

Die palästinensisch-amerikanische Regisseurin des Films, Annemarie Jacir, übt scharfe Kritik an der ARD, „gerade in diesem dunklen Moment der Geschichte künstlerische Stimmen zu unterdrücken, anstatt einen Raum zu öffnen, in dem wir unsere Geschichten, Kulturen und Träume teilen können. [...] Das ist das Gegenteil dessen, was eine freie Welt sein sollte.“

Auch der deutsche Koproduzent des Films, Titus Kreyenberg, äußerte seine Bestürzung in einem Interview mit Deadline: „In diesem Film geht es um Dialog, einen Dialog zwischen einem Vater und seinem Sohn. Filme können den Dialog fördern.“ Christian Granderath, der als Leiter der NDR-Abteilung für Fernsehfilm, Spielfilm und Theater an der Finanzierung des Films beteiligt war, hält die Absetzung des Films „auch im Hinblick auf die Freiheit der Kunst für falsch und nicht gerechtfertigt“. Er betont, wie wichtig es ist, den Diskurs durch die Einbeziehung palästinensischer Perspektiven zu bereichern.