Crowdsourced-Archiv, das die zum Schweigen gebrachten Stimmen in Deutschland dokumentiert.
Nr. Datum der Silencing Institution Verstummte Person / Organisation
25.11.2023 München ist bunt!, Kultur im Trafo 23-11-25_Ilan Pappé, Salam Shalom, Jewish-Palestinian dialogue group, Women in Black
Summary:

Kultur im Trafo und München ist bunt! versuchen, einen Vortrag des jüdisch-israelischen Historikers Ilan Pappé wegen angeblichen Judenhasses zu verhindern

Am 25. November 2023 versuchte der Trägerverein des Münchner Kultur- und Bürger:innenzentrums Kultur im Trafo erfolglos, einen Vortrag des jüdisch-israelischen Historikers Ilan Pappé am 27. November zu unterbinden. Die Veranstaltung wurde von Salam Shalom, der jüdisch-palästinensischen Dialoggruppe und den Frauen in Schwarz organisiert. Unter dem Titel Palästina – Israel: wie weiter? gab der Vortrag einen Überblick über die politische Situation in Palästina-Israel 75 Jahre nach der Gründung Israels und der Nakba. Pappé sprach über die ethnische Säuberung Palästinas sowie über die europäische und insbesondere deutsche Politik gegenüber dem Staat Israel.

Zwei Tage vor der Veranstaltung kündigte Leo Agerer, Vize des Trafo-Vereins und CSU-Stadtrat, Salam Shalom per E-Mail den Raumnutzungsvertrag mit der Begründung, es sei zu befürchten, dass „der Vortragende (oder Teilnehmer der Veranstaltung) im Rahmen der Veranstaltung gegen Strafgesetze verstoßen werden, [...] zum Hass gegen [die jüdische Bevölkerung] aufstacheln werden [... und] gezielt antisemitische Stereotype verbreitet werden.“ Am nächsten Tag rief das Bündnis München ist bunt! zu einem Protest gegen den Vortrag auf. In einem Social-Media-Post am 26. November mit dem Titel „Protest gegen antisemitische Verschwörungstheorien“ behaupteten sie, die Veranstaltung würde beabsichtigen, „das Existenzrecht Israels in Frage oder gleich ganz in Abrede zu stellen [...], krude NS-Vergleiche zu ziehen und einen aggressiven, israelbezogenen Antisemitismus zu propagieren.“

Die Organisator:innen wiesen diese Vorwürfe zurück und zogen vor Gericht. Am 27. November entschied das Landgericht per einstweiliger Verfügung zu ihren Gunsten und befand, dass die Kündigung des Vertrages unwirksam sei und das Kultur- und Bürgerzentrum den Saal noch am selben Abend verfügbar machen müsse. Laut junge Welt protestierten eine Handvoll Menschen vor dem prall gefüllten Saal.

Im Raum hingen Plakate der Fraktionen des Münchner Stadtrats und Kultur im Trafo mit einer gemeinsamen Erklärung, in der „Solidarität mit Israel“ bekundet wurde und es hieß, dass „Rechtfertigung oder gar Unterstützung dieses menschenverachtenden Terrors“ mit „Konsequenz und Entschiedenheit“ entgegengetreten würde. In seinem Vortrag betonte Pappé, es dürfe nicht vergessen werden, „wofür die Palästinenser:innen kämpfen. Sie kämpfen für ein normales Leben, für Freiheit, nicht für die Ermordung von Juden:Jüdinnen.”

Ilan Pappé ist Professor an der Universität Exeter und Direktor des dortigen Europäischen Zentrums für Palästinastudien (CPS) sowie Autor des Buches Die ethnische Säuberung Palästinas (2006) und vieler weiterer Bücher. Dem jüdisch-israelischen Historiker war bereits 2009 von der Stadt München ein Raum für eine Veranstaltung verweigert worden, woraufhin er einen Brief an den Bürgermeister schrieb, in dem er hervorhob: „Mein Vater wurde als deutscher Jude auf ähnliche Weise in den frühen 1930er Jahren zum Schweigen gebracht und es ist traurig zu erleben, dass die gleiche Zensur im Jahr 2009 wiederkehrt.“

Place of Silencing: München
Type of Institution: Arts & Culture
Institution: München ist bunt!, Kultur im Trafo
Identity of Silenced Person: BIPoC, Palestinian / Palestinian heritage, Jewish / Jewish heritage
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