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Nr. Datum der Silencing Institution Verstummte Person / Organisation
26.01.2024 Folkwang Universität der Künste in Essen 24-01-26_Laurie Anderson
Summary:

Performance-Künstlerin Laurie Anderson verzichtet aufgrund von Debatte zu ihrer politischen Haltung auf Professur an Folkwang Universität

Am 1. April 2024 hätte Laurie Anderson die Pina Bausch Professur an der Essener Folkwang Universität der Künste antreten sollen. Anderson entschloss sich aufgrund von Druck vonseiten der Universität bezüglich ihrer politischen Ansichten von der Professur zurückzutreten.

Laurie Anderson, geb. 1947 in Illinois/USA, ist eine interdisziplinär arbeitende und international renommierte Performancekünstlerin und Musikerin. Am 11. Januar 2024 hatte die Folkwang Universität Essen angekündigt, dass Anderson für das Sommersemester 2024 berufen worden sei, um die Pina Bausch Gastprofessur zu übernehmen. Die interdisziplinäre Professur wurde im Wintersemester 2022/23 eingerichtet und ist eine Zusammenarbeit der Universität mit der Pina Bausch Foundation. Nach Marina Abramović wäre Laurie Anderson die zweite Besetzung gewesen.

Am 23. Januar hat der Blog Ruhrbarone einen Artikel veröffentlicht, in dem Anderson BDS-Nähe vorgeworfen und betont wird, dass sie im Jahr 2021 den Brief „Letter against Apartheit“ unterschrieben hatte. Der Blog ist u.a. auch dafür bekannt, Debatten rund um Antisemitismus-Vorwürfe, Diffamierung und damit einhergehendes Silencing im Kulturbereich auszulösen sowie Palästina-feindliche Aufrufe zu veröffentlichen („Transform Gaza to Garzweiler“). Der im Artikel zitierte Brief wurde von palästinensischen Künstler:innen, Schriftsteller:innen sowie deren Verbündeten verfasst und forderte angesichts der Gewalt gegen Palästinenser:innen im Mai 2021 eine Waffenruhe, ein Ende der Gewalt sowie das Ende der globalen Unterstützung für Israel und das israelische Militär.

Für ihren Artikel fragte Ruhrbarone auch beim Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen eine Stellungnahme an. In der Antwort eines Sprechers hieß es dazu laut Artikel, dass die Freiheit von Kunst und Wissenschaft ein „hohes Gut“ sei, weshalb man davon absehe „Meinungsäußerungen von Künstlerinnen und Künstlern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu kontrollieren“, Anderson sei aber „gleichwohl“ von der Universität gebeten worden, darzulegen, „ob sie auch nach den Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober 2023 an ihren Kommentaren“ festhalte und sich „heute gleichlautend äußern“ würde.

Am 26. Januar veröffentlichte die Universität schließlich eine Pressemeldung, in der Andersons Rückzug von der Professur bekannt gegeben wurde. Von Seiten der Universität heißt es dazu: „[Es] wurde bekannt, dass sich Laurie Anderson im Jahr 2021 als Unterstützerin des Aufrufs palästinensischer Künstler:innen mit dem Titel „Letter Against Apartheid“ öffentlich positionierte, der unter anderem Boykottforderungen der israelfeindlichen BDS-Bewegung aufgreift. Die Hochschule hat in einem gemeinsamen Dialog mit Laurie Anderson und der Pina Bausch Foundation diskutiert, inwieweit das geplante künstlerische Projekt Andersons an der Folkwang Universität der Künste umzusetzen und eine ungestörte und konzentrierte Arbeit zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist.“

Anderson entschloss sich demnach, nicht auf die Debatte um ihre politische Haltung einzugehen, sondern sich aufgrund dessen aus der Professur zurückzuziehen: „Für mich geht es nicht um die Frage, ob meine politische Meinung sich geändert hat. Die Frage, um die es eigentlich geht, ist: Warum wird diese Frage überhaupt gestellt? Auf Grundlage dieser Situation ziehe ich mich aus dem Projekt zurück“, heißt es in der gleichen Mitteilung. Zur NYT sagte Anderson, dass der Vorfall sie gelehrt habe, dass sie solch eine Art der Finanzierung nicht wolle: „Hätte ich gewusst, dass sie mich zu diesen Dingen befragen, hätte ich diesen Job gar nicht erst angenommen.”

Place of Silencing: Essen
Type of Institution: Arts & Culture
Institution: Folkwang Universität der Künste in Essen
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