Crowdsourced-Archiv, das die zum Schweigen gebrachten Stimmen in Deutschland dokumentiert.
Nr. Datum der Silencing Institution Verstummte Person / Organisation
07.02.2024 Max Planck Institute for Social Anthropology 24-02-07_Ghassan Hage
Summary:

Am 7. Februar 2024 wurde der libanesisch-australische Professor Ghassan Hage vom deutschen Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung aufgrund von Beiträgen, die er auf X geteilt hatte, entlassen. Hage erklärte, dass die Zeitung Welt am Sonntag am 31. Januar zuerst ihn selbst und dann die Max-Planck-Gesellschaft kontaktiert hatte. Am 5. Februar veröffentlichte die Welt einen Artikel, in dem Hages Posts als israelkritisch bewertet wurden und er als Befürworter der Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS), der den „Terror der Hamas glorifiziert“, bezeichnet wurde. Hage erläuterte außerdem, dass das Max-Planck-Institut sich in der Zeit zwischen den ersten Anschuldigungen durch die Zeitung und seiner Entlassung nicht an ihn gewendet oder ihm die Möglichkeit zu einer Reaktion gegeben habe.

Ein Brief von der Max-Planck-Gesellschaft, datiert auf den 9. Februar und am 19. Mai 2024 auf Hages X-Account gepostet, adressiert Hage folgenderweise: „Ihnen war bewusst, dass die deutsche Politik die Sicherheit Israels und damit sein Existenzrecht aus historischen Gründen als besonders schützenswert erachtet und dass Vergleiche zwischen den Taten des Nazi-Regimes und den Taten Anderer in Deutschland verboten sind.“ In dem Brief wird zudem behauptet, dass nicht weiter spezifizierte Posts vonseiten Hages „als anti-Israelisch und antizionistisch anzusehen sind und deshalb geeignet, Hass zu verbreiten.“ Der Brief bekräftigte im Weiteren, dass die Max-Planck-Gesellschaft sich „gleichermaßen ebendem verpflichtet fühle“, was als „deutsche Politik“ beschrieben worden war.

Auf die Nachricht von Professor Hages Entlassung hin wurde eine Petition gestartet, um der Entscheidung zu widersprechen. Die Petition beinhaltete einen Text, der Hages Engagement für soziale Gerechtigkeit unterstreicht: „Professor Hages Bemühungen, alle Formen von Rassismus und Unterdrückung durch gründliche wissenschaftliche Forschung zu dekonstruieren, sind beachtlich. Seine Arbeit als Gelehrter war immer von Integrität gekennzeichnet. Diese Schmierkampagne jedoch bedroht nicht nur seinen Ruf, sondern regelrecht die Grundlage der Meinungsfreiheit, auf der Bildung aufgebaut ist.“ Bis zuletzt zählte die Petition fast 3.800 Unterschriften.

Organisationen wie die European Association of Social Anthropologists (EASA) und die Canadian Anthropology Society (CASCA) veröffentlichten Unterstützungsschreiben. Beide Texte, sowohl von EASA als auch von CASCA, verlangten nachdrücklich, die Entscheidung, nicht mehr mit Professor Hage zusammenzuarbeiten, zu widerrufen. EASA erklärt in ihrem Brief: „Nicht nur werden in der Stellungnahme der MPG keinerlei Beweise für Rassismus und Antisemitismus in den Arbeiten von Prof. Hage geliefert; wir wissen aufgrund der Hingabe zum Anti-Rassismus, die sich durch Hages Schriften zieht, mit Sicherheit, dass solche Beweise unmöglich zu finden wären.“

Hage entschied, rechtliche Schritte gegen die Max-Planck-Gesellschaft im Sinne des Kündigungsschutzes zu unternehmen. In einem Post auf X vom 19. Mai schrieb Hage: „Der erste Gerichtstermin mit den Anwälten von Max Planck hat stattgefunden und, wie erwartet, da ich kein Interesse an einer finanziellen Einigung habe und sie keine Absicht haben, sich bei mir zu entschuldigen, wurde keine Schlichtung erreicht. Jetzt müssen die Max-Planck-Anwälte also mit dem aufwarten, was sie für belastendes Material halten, und wir treffen uns im Oktober und fechten es aus.“