Crowdsourced-Archiv, das die zum Schweigen gebrachten Stimmen in Deutschland dokumentiert.
Nr. Datum der Silencing Institution Verstummte Person / Organisation
14.02.2024 Humboldt-Universität zu Berlin 24-02-14_NotInOurName HU
Summary:

Humboldt-Universität zu Berlin schickt RefRat-Mitglieder zu pro-palästinensischem Studierendentreffen

Wir, die Mitglieder von NotInOurName HU, hatten über den RefRat (Referent:innenrat, gesetzlich AstA) einen Raum für ein offenes Treffen für Mittwoch, den 14. Februar, auf dem Universitätsgelände gebucht. Zwei Tage vor dem Treffen erhielten wir von einer HU-Mitarbeiterin eine Buchungsbestätigung. Die Bestätigung enthielt die Aufforderung, sich an den Wortlaut unserer Raumanmeldung zu halten, der angeblich „viel neutraler“ gewesen sei als unser Instagram-Post zur Bewerbung des Treffens. Später erhielten wir eine E-Mail vom RefRat, in welcher sie uns aufforderten, sicherzustellen, dass es keinen Platz für antisemitische Äußerungen gibt, insbesondere solche, die „den Angriff auf Lahav Shapira relativieren“ oder „die Shoa verharmlosen“. Später teilten sie uns mit, dass zwei ihrer Mitglieder an dem Treffen teilnehmen würden.

Als wir den Raum betraten, wurden wir mit der folgenden Situation konfrontiert:
Vier Mitglieder des RefRats warteten auf uns und erklärten, dass die Universität ihre Anwesenheit verlangte, damit die Sitzung stattfinden könne. Sie sagten, sie würden sich im Hintergrund halten. Außerdem beaufsichtigte eine Mitarbeiterin den Eintritt der Teilnehmenden. Später kam ein Sicherheitsbeamter hinzu und wies Leute an der Tür mit der Begründung ab, es handele sich um eine geschlossene Veranstaltung, was aber nicht der Fall war.

Zu Beginn der Sitzung baten wir die Mitglieder des RefRats, sich vorzustellen und sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen, was sie auch taten. Es stellte sich heraus, dass das Präsidium den RefRat-Mitgliedern mitgeteilt hatte, dass sie für „den gesamten Inhalt und die Durchführung“ des Treffens verantwortlich seien. Außerdem wurde der RefRat aus „Sicherheitsbedenken“ zur Teilnahme an dem Treffen aufgefordert. Diese beiden Anordnungen sind beispiellos. Die RefRat-Mitglieder äußerten ihr Unbehagen und kritisierten das Vorgehen und die Forderungen des Präsidiums.

Aufgrund der vielschichtigen Überwachung des Treffens war es uns nicht möglich, einen sicheren Raum für Studierende und Akademiker:innen zu schaffen, die sich mit Palästina solidarisieren. Trotz der freien Meinungsäußerung, die die Universität angeblich fördert, waren wir mit einer feindseligen Haltung und Versuchen von Zensur konfrontiert. Unser Treffen wurde unter Generalverdacht des Antisemitismus und Implizierung von Gewalt gestellt. Obwohl das von Misstrauen und Kriminalisierung geprägte Klima in erster Linie von der Universitätsverwaltung geschaffen wurde, folgten die Mitglieder des RefRats ihren unangemessenen Forderungen und versäumten es, anzuerkennen, wie ihre eigenen Äußerungen und ihre Präsenz bei unserer Veranstaltung die repressiven Zensurmechanismen der Universität durchsetzten.

Wir verurteilen es, dass die Universität die Studierendenschaft gegen uns einsetzt, um unser Treffen zu zensieren und zu kontrollieren. Die Drohung des HU-Präsidiums, den RefRat für den Inhalt und die Durchführung unseres Treffens zur Verantwortung zu ziehen, hat die Gestaltung eines sichereren Raums zu unseren Bedingungen beeinträchtigt und die Mitglieder des RefRats in die unangebrachte Position gedrängt, ein Thema zu beurteilen und zu zensieren, zu welchem sie keine Expertise haben. Wir weisen die Behauptung, dass die Sicherheitskräfte „zu unserem Schutz“ gerufen wurden, entschieden zurück. Wir unterstreichen hingegen, dass die Kontrollmaßnahmen der Universität uns nicht vor rassistischen Angriffen schützen, sondern vielmehr dazu dienen, Stimmen, die sich mit Palästina solidarisieren, einzuschüchtern und unsere Einforderung von Raum auf dem Campus zu verhindern.

Der RefRat als Gruppe vertritt und unterstützt explizit die Studierenden und nicht die Universitätsverwaltung. Anstatt sich einer Rhetorik anzuschließen, die palästinensische Solidarität unter den Generalverdacht des Antisemitismus stellt, hätten wir erwartet, dass sie uns von Anfang an transparent über die Überwachungsstrategie der Universität informieren würden.

Update: Nachdem wir den RefRat auf Instagram hierzu zur Rede gestellt haben, vereinbarten sie ein Treffen mit unseren Mitgliedern, bei dem sie sich entschuldigten und ihre Rolle im Kampf für die Rechte der Studierenden und die Meinungsfreiheit betonten.

Place of Silencing: Berlin
Type of Institution: Education & Research Institutes
Institution: Humboldt-Universität zu Berlin
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