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Nr. Datum der Silencing Institution Verstummte Person / Organisation
05.04.2024 Universität Köln 24-04-05_Nancy Fraser
Summary:

Universität Köln zieht Gastprofessur für jüdisch-amerikanische Philosophin Nancy Fraser aufgrund ihrer Unterzeichnung des offenen Briefs „Philosophie für Palästina“ zurück

Am 5. April 2024 verkündete die Universität zu Köln, dass sie die Vergabe der Albertus-Magnus-Professur an Nancy Fraser widerrufen hat. Der Grund für die Entscheidung der Universität war, dass Prof. Fraser gemeinsam mit 400 weiteren Philosophie-Professor:innen im November 2023 den offenen Brief „Philosophy for Palestine“ unterschrieben hatte. Der Brief drückte Solidarität mit Palästinenser:innen aus, verurteilte die Massaker durch israelische Truppen in Gaza und rief zu einem akademischen und kulturellen Boykott israelischer Institutionen auf.

Nancy Fraser ist Professorin für Politik- und Sozialwissenschaften und Professorin der Philosophie an der New School in New York. Sie gilt weithin als Nachfolgerin Hannah Arendts und als eine der wichtigsten Intellektuellen der Gegenwart.
In einem Interview mit Jacobin erklärte Fraser: „Es handelt sich um eine klare Verletzung der von der Universität selbst erklärten Richtlinien sowie der […] Werte der akademischen Freiheit, der Meinungsfreiheit, der Redefreiheit sowie der offenen Diskussion. Was auch immer an komplizierten Begründungen gegeben wird, um zu erklären, warum das Vorgehen diese Werte angeblich nicht verletzen würde, klingt hohl für mich. Der Vorgang sendet gleichzeitig ein starkes Signal an alle Menschen in der Universität und Wissenschaftler:innen auf der ganzen Welt: Wenn du es wagst, gewisse Ansichten über gewisse politische Themen zu äußern, wirst du hier [in Deutschland] nicht willkommen sein. Das hat eine abschreckende Wirkung auf die politische Meinungsfreiheit der Menschen.“

Bezüglich des andauernden Trends der Zensur in Deutschland kommentierte Fraser: „Ich denke auch, dass es so wichtig ist, dass Deutsche etwas über die Komplexität und den Umfang des Judentums verstehen, über seine Geschichte und seine Perspektive. Auf eine Art und Weise gehen sie mit dieser Idee eines bedingungslosen Treueversprechens an Israel mit und dass dies die deutsche Verantwortung sei – uneingeschränkte Unterstützung für den Staat Israel. Angesichts dessen, was Israel aktuell tut, ist dies ein Verrat an dem, was ich als die wichtigsten und schwerwiegendsten Aspekte des Judentums als Geschichte, als Perspektive und als Gedankengut bezeichnen würde.“
Die Ausladung hatte sofortige Gegenreaktionen von Wissenschaftler:innen weltweit zur Folge. Wissenschaftler:innen deutscher Universitäten reagierten auf die Ausladung Frasers mit einem Statement, das auf der Website Critical Theory in Berlin zu finden ist. Darin heißt es: „Es ist unerfindlich, wie ein derartiges Vorgehen mit dem Bekenntnis des Kölner Rektorats zu ‘weiterem Dialog in Bezug auf die aktuellen und künftigen Entwicklungen in Israel und im Nahen Osten’, zum hohen Gut der Wissenschaftsfreiheit sowie zum internationalen Austausch zu vereinbaren ist. Nähme die Kölner Universität diese Selbstverpflichtung ernst, müsste sie ihre Ausladung umgehend wieder zurücknehmen. Dazu möchten wir sie hiermit nachdrücklich auffordern.“

Am 8. April 2024 veröffentlichte die Universität zu Köln einen Zusatz zu ihrer ursprünglichen Pressemitteilung: „Uns geht es bei der Bewertung der Frage nicht darum, ob Frau Fraser an der Universität zu Köln auftreten kann oder nicht. Sondern die Albertus Magnus Professur ist eine besondere Ehrung der Gesamtuniversität. [...] Insofern ist es eine Frage der Ehrung, und ob die Ehrung angemessen ist.“

Place of Silencing: Köln
Type of Institution: Education & Research Institutes
Institution: Universität Köln
Identity of Silenced Person: Jewish / Jewish heritage
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