| Nr. | Datum der Silencing | Institution | Verstummte Person / Organisation | |||||||||
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| 06.06.2024 | IU International University of Applied Sciences | 24-06-06_Moroccan activist | ||||||||||
|
Summary:
IU Internationale Hochschule entfernt Interview mit marokkanischer Aktivistin aufgrund von angeblichem Antisemitismus in sozialen MedienIch bin eine marokkanische Frau mit momentanem Lebensmittelpunkt in Marokko. Seit mehr als zehn Jahren bin ich als Aktivistin aktiv. Zusammen mit zehn anderen afrikanischen Frauen war ich von der IU Internationale Hochschule für ein Vollstipendium von „African Women in Tech“ nominiert; die IU ist eine private, gewinnorientierte Universität für angewandte Wissenschaft mit Sitz in Erfurt, Deutschland. Ich bin dort aktuell für ein Fernstudium in einem englischen Bachelor-Studiengang eingeschrieben. 2023 sollte ich für ein kulturelles Austauschprogramm nach Deutschland reisen. Als die Hochschule von meiner Reise erfuhr, lud sie mich ein, den Campus in Berlin zu besuchen, und führte im November 2023 einige Interviews mit mir durch. Während unserer Unterhaltung wurde eine Videoaufnahme gemacht und ein Autor sollte einen Artikel über mich und meinen Werdegang im Aktivismus und in der Technologie schreiben, um mich damit auf ihrer Webseite sowie ihrem Social-Media-Auftritt darzustellen. Am 29. April 2024 wurde das Video auf YouTube, und am 9. Mai der Artikel als „student spotlight“ auf ihrem Blog veröffentlicht. Beides wurde auch ein paar Tage später über LinkedIn geteilt. Ich bin seit Jahren auf LinkedIn aktiv und diskutiere dort verschiedene Themen und gesellschaftliche Fragen. Die Universität hatte mein Profil mehrfach gesehen, bevor sie mich 2021 für das Stipendium auswählte. Während der sechs Monate zwischen dem Erstellen des Artikels und des Videos und deren Veröffentlichung dauerte außerdem der Genozid weiter an, sodass ich weiterhin Inhalte über das Leid der Palästinenser*innen seit Oktober 2023 teilte. Am 6. Juni versuchte ich, dem Link zum Blog der IU zu folgen, der jedoch nicht funktionierte. Es stellte sich heraus, dass alle Posts, Videos und Artikel über mich ohne irgendein Wort gelöscht worden waren. Als ich mich am nächsten Morgen darüber erkundigen wollte, bekam ich keine Antwort, bis ich mich per E-Mail an die Kanzlerin der Hochschule und die Vorsitzenden des Stipendiums wandte. Sie entschuldigten sich daraufhin dafür, dass sie mich nicht sofort informiert hätten und sagten, dass sie vorgehabt hätten, mich über die Situation zu informieren, dass ich mich jedoch zuerst gemeldet hätte. Sie behaupteten, dass ich LinkedIn-Posts geteilt hätte, die nach deutschem Gesetz als antisemitisch gelten würden. Verwunderlich ist, dass die Person, die meine LinkedIn-Inhalte gemeldet hat, nicht zur Universität gehört, was die Frage aufwirft, warum ihre Meinung ins Gewicht fiel, ohne dass meine beachtet wurde. Der CEO der Hochschule sowie viele andere Angestellte interagierten außerdem mit meinen Beiträgen, wobei der CEO sogar einen Artikel, den ich geteilt hatte, positiv kommentierte. Außerdem haben die Vorsitzenden des Stipendiums Stolz bezüglich meiner Arbeit geäußert, und meine Fortschritte seit 2021 mitverfolgt, was nahelegt, dass meine Aktivitäten ihnen bekannt waren. Das macht es besonders verwirrend, dass sie erst Bedenken über meine Posts äußerten, nachdem eine unbekannte Partei sie darauf hingewiesen hatte. Zusätzlich fand ich es auch beunruhigend, dass mehrere Universitätsangestellte an dem Tag, an dem meine Inhalte gelöscht wurden, mein LinkedIn-Profil besuchten, ohne dass eine*r von ihnen direkten Kontakt zu mir aufgenommen hat. Es ist wichtig, zu erwähnen, dass ich für ein kulturelles Austauschprogramm in Deutschland war und nicht für mein Studium, da ich Online-Studentin mit Lebensmittelpunkt in meinem Heimatland bin. Während meines Besuchs in Deutschland hatte ich die Möglichkeit, im deutschen Parlament (Bundestag) über den andauernden Genozid in Palästina zu sprechen, und forderte einen Waffenstillstand. Trotz meiner öffentlichen Aktivitäten war ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie beschuldigt worden, antisemitisch zu sein. Die Tatsache, dass die Anschuldigungen von einem unbekannten Individuum stammen, zeigen einen bedenklichen Mangel an klarer Kommunikation und an Respekt. Ich möchte noch erwähnen, dass in meinem Vertrag mit der Universität festgehalten ist, dass meine Gedanken und Meinungen die meinen sind, und in jeder eventuellen Aktion in den sozialen Medien korrekt wiedergegeben werden müssen. Es wird betont, wie wichtig es sei, sowohl mich, als auch das Bild und die Stimme der Organisation zu beschützen. Weiterhin wird bekräftigt, dass ich ein Recht auf individuelle Autonomie und Meinungsfreiheit habe. In ihrer E-Mail leugnet die Universität bisher allerdings, dass wir diese Übereinkunft miteinander haben.
|
||||||||||||